Fragen an Dr. Stefan Streng, Saatzucht Streng-Engelen GmbH & Co. KG

Wie sehen Sie die Rolle der Saatguterzeugung in der Produktionskette – aus Sicht eines Züchters?

Die Pflanzenzüchtung hat die Aufgabe, verbesserte Sorten zu züchten und der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Die Erzeugung von qualitativ hochwertigem Saatgut unserer Sorten in ausreichender Menge – je nach Kulturart regional oder überregional – liegt dann jedoch in den Händen der Saatguterzeuger. Somit ist die Rolle der Saatguterzeugung für uns Züchter enorm wichtig. Ohne Saatguterzeugung gibt es keinen Sortenaufbau und folglich auch keine Refinanzierung unserer Züchtungskosten durch die im Saatgutpreis enthaltenen Lizenzgebühren. Beste ZS-Qualität von professionellen Saatguterzeugern ist das wirksamste Mittel, Landwirte davon zu überzeugen, auf Nachbau zu verzichten.

Wo sehen Sie die Herausforderungen der Zukunft für die Produktionskette?

Ich sehe, wie auch in der Landwirtschaft selbst, einen starken Strukturwandel in der Saatguterzeugung. Kleinere Betriebe scheiden aus und größere Einheiten straffen ihr Sortiment an Kulturarten und Sorten. Dem entgegen steht der gesellschaftliche und politische Wille für mehr Vielfalt in der Kulturlandschaft der Zukunft. Die große Herausforderung wird es sein, trotz des Strukturwandels der Landwirtschaft ein regional angepasstes Kulturarten- und Sortenspektrum anbieten zu können.
Eine weitere große Herausforderung ist der stetig steigende Aufwand für Dokumentation und Erfüllung von Qualitätsnormen (z.B. zertifizierte Beizstelle), ohne die eine Saatgutbehandlung mit neu zugelassenen Beizmitteln nicht möglich sein wird.
Für alle Beteiligten der Produktionskette vom Züchter über den Vermehrer bis zum Agrarhandel muss die Wirtschaftlichkeit des Engagements gegeben sein.

Nehmen wir die Herausforderung Logistik, die passende Sorte, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort? Ein Pluspunkt für die regionale Vermehrung?

Gerade bei Kulturen, bei denen in kürzester Zeit eine große Menge an Saatgut zum Landwirt transportiert werden muss, wie bei Getreide, ist die regionale Vermehrung wichtig. In der Zwischenzeit werden große Sorten jedoch auch bei Getreide über weite Entfernungen transportiert. Grund hierfür sind Stückkostenvorteile großer zentraler Aufbereitungsanlagen und noch sehr günstige Transportkosten. In Jahren mit knapper Saatgutversorgung wird dann jedoch die regionale Versorgung schwierig. Deshalb dürfen kleinere, regionale Saatguterzeuger nicht nur Lückenfüller für Nischensorten oder Nischenkulturen sein, sondern müssen in die regionale Planung der Saatguterzeugung durch die Handelshäuser eingebunden sein. Ein klarer Vorteil für die regionale Vermehrung bleibt die zügige und termingerechte Belieferung der Kunden mit Z-Saatgut.

Welche Anforderungen stellen Landwirte an Z-Saatgut? Haben Sich die Anforderung in den vergangenen Jahren entscheidend verändert und was erwarten Sie für die Zukunft?

Landwirte fordern neben der Sortenleistung eine sichere Saatgutqualität, also Reinheit, Freiheit von Fremdbesatz sowie gute Keimfähigkeit. Durch den Kauf von Zertifiziertem Saatgut sind diese Parameter gesichert. Hieran hat das seit vielen Jahren erfolgreich etablierte Qualitätssicherungssystem für Z-Saatgut (QSS) einen großen Anteil. Hinzu kommt bei konventionell wirtschaftenden Betrieben eine an den Standort angepasste Beizausstattung und die freie Wahl der Abpackung (Sackware, BigBag, lose). Das Saatgut muss rechtzeitig vor der Aussaat beim Landwirt sein und sollte möglichst preisgünstig sein.

In den letzten Jahren haben sich vor allem die Ansprüche an optimale Beizqualität und die Wahl des Beizmittels verändert. Grund hierfür sind zum einen neue Aussaattechnik, wie Exaktsaaten auch bei Getreidekulturen sowie kritische Krankheitserreger, wie Flugbrand bei Gerste. Durch den Wegfall fungizider Wirkstoffe zur Beizung kommt der Beizqualität in Zukunft eine noch größere Bedeutung zu, da die noch zur Verfügung stehenden Wirkstoffe optimal wirken müssen..

Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Saatguterzeuger oder Saatgutvermehrer aus?

Ein guter Saatguterzeuger muss ein sehr guter Acker- und Pflanzenbauer sein. Wer viel Wert auf Feldhygiene legt und eine ausgewogene Fruchtfolge in seinem Betrieb etabliert hat, erfüllt schon viele Grundsätze. Kommt dann noch Interesse und Neugierde am Testen neuer Sorten hinzu, dann hat man das Rüstzeug für einen guten Saatguterzeuger. Ein Talent, das eigene Saatgut aktiv in der Region anzupreisen, ähnlich einem Direktvermarkter, rundet das Anforderungsprofil für einen guten Saatguterzeuger ab.

Saatgut zu vermehren, heißt auch wirtschaftlich denken und handeln, lohnt sich der Aufwand für Landwirte in Zukunft noch? Wird es vielleicht sogar noch interessanter und somit eine Chance für interessierte Landwirte doch in die Saatguterzeugung einzusteigen?

Grundsätzlich kann man feststellen, dass sich eine Saatgutvermehrung dann lohnt, wenn der Großteil der produzierten Ware als Saatgut verkauft werden kann. Je nachdem, ob man Rohware produziert und dann an einen Aufbereiter weitergibt oder selbst die Aufbereitung durchführt, steht der Saatguterzeuger weniger oder mehr im Risiko. Deshalb sind regional angepasste Sortimentsplanungen gemeinsam mit den Abnehmern (Händler oder direkt Landwirte) wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg.

Erfolgreiche Saatguterzeuger zeichnen sich heute auch dadurch aus, dass sie von ihrem Produkt überzeugt sind und es aktiv bewerben.

Saatgutvermehrer müssen insbesondere dann genau rechnen, wenn Neuinvestitionen anstehen. Bei kleineren Anlagen kommt dann schnell die Rentabilitätsgrenze. Es gibt jedoch durch die Zunahme kleinerer Kulturarten in der Landwirtschaft, wie beispielsweise Leguminosen, interessante Nischenmärkte, die gerade für kleinere Saatguterzeuger interessant sein können, auch für Neueinsteiger.

Wenn Sie ein Landwirt um Rat fragt, ob er Saatguterzeuger werden sollte, was sagen Sie ihm?

Die Frage ist nicht mit ja oder nein zu beantworten. Wenn der Landwirt und sein Betrieb die Voraussetzungen erfüllen und in der Region nicht schon ein Überangebot an Saatguterzeugern vorhanden ist, dann ist ein Einstieg überlegenswert. Eine gute Basis wäre eine nachhaltige Strategie, mit der man sich abgrenzt. Statt „Mainstream“ auf Kulturarten oder Qualitäten setzen, die nicht jeder Wettbewerber anbieten kann.
Noch vor 10 Jahren wäre ich mit meiner Antwort wahrscheinlich euphorischer gewesen.

Stefan Streng

Dr. Stefan Streng

Saatzucht Streng-Engelen GmbH & Co. KG